Stadt vs. Umland: Wie Remote Work die Immobiliennachfrage verschiebt

Die Corona-Pandemie hat einen Trend beschleunigt, der die Immobilienmärkte fundamental verändert: Die Entkopplung von Arbeitsplatz und Wohnort. Remote Work und Hybrid-Modelle ermöglichen es Millionen von Arbeitnehmern, den Wohnort freier zu wählen. Das verschiebt die Nachfrage von teuren Innenstädten ins günstigere Umland – mit dramatischen Folgen für Immobilieninvestoren.

Doch die Geschichte ist komplexer als der simple Exodus aus den Städten. Während manche Viertel an Attraktivität verlieren, profitieren andere. Und auch im Umland entstehen neue Hotspots, die geschickte Investoren längst entdeckt haben.

Die Homeoffice-Revolution ist real und nachhaltig. Studien zeigen: 40% der deutschen Arbeitnehmer arbeiten zumindest teilweise remote. Vor Corona waren es 12%. Diese Verschiebung ist nicht temporär – sie verändert dauerhaft die Art, wie und wo wir leben.

Branchenunterschiede: IT, Beratung und Finanzdienstleistungen führen bei Remote Work. Fertigung, Einzelhandel und Gastronomie bleiben standortgebunden. Das schafft unterschiedliche Nachfragemuster in verschiedenen Regionen.

Altersgruppen: Millennials und Gen Z nutzen Remote Work intensiver als ältere Generationen. Das beeinflusst Nachfrage nach bestimmten Wohnformen und Stadtteilen.

Einkommen: Höher verdienende Fachkräfte haben mehr Flexibilität bei der Wohnortwahl. Das verstärkt Gentrifizierung in attraktiven Umlandgemeinden.

Die Verlierer: Innenstädtische Hotspots unter Druck

Business Districts: Quartiere, die primär von Büroarbeitern belebt wurden, verlieren an Attraktivität. Frankfurt Bankenviertel, Düsseldorf Königsallee-Umfeld oder München Maxvorstadt zeigen rückläufige Wohnungsnachfrage.

Verkehrsknotenpunkte: Wohnungen mit Premiumpreisen für S-Bahn-Nähe verlieren ihren Aufschlag. Wenn der tägliche Pendelweg entfällt, werden andere Faktoren wichtiger.

Micro-Apartments: Winzige Wohnungen in teuren Lagen verlieren Nachfrage. Wer den ganzen Tag zu Hause arbeitet, braucht mehr Platz.

Lärmbelastete Lagen: Straßenlärm war bei 8-Stunden-Abwesenheit erträglich. Bei Homeoffice wird er zum Problem.

Die Gewinner: Qualität wird wichtiger als Lage

Familienfreundliche Stadtteile: Quartiere mit Schulen, Parks und Familien-Infrastruktur profitieren. Prenzlauer Berg, München Schwabing oder Hamburg Eimsbüttel bleiben gefragt.

Grüne Stadtrandlagen: Stadtteile mit Parkanschluss und niedrigerer Bebauungsdichte gewinnen. Berliner Außenbezirke oder Münchner Randlagen profitieren.

Kulturelle Zentren: Kreative Viertel mit Gastronomie, Kunst und Kultur bleiben attraktiv. Das soziale Leben wird wichtiger, wenn die Arbeit zu Hause stattfindet.

Gut erschlossene Neubaugebiete: Moderne Quartiere mit Glasfaser und guter Infrastruktur werden bevorzugt.

Das Umland boomt: Neue Hotspots entstehen

Speckgürtel-Gemeinden: Orte wie Starnberg, Freising oder Erding (München), Kronberg oder Bad Homburg (Frankfurt) erleben Nachfrage-Explosionen.

Mittelstädte in Pendeldistanz: Bamberg, Bayreuth (München-nah), Limburg, Gießen (Frankfurt-nah) oder Lüneburg (Hamburg-nah) profitieren von der Stadtflucht.

Tourismusregionen: Garmisch-Partenkirchen, Berchtesgaden oder der Bodensee ziehen Remote Worker an, die Lebensqualität über Arbeitsplatz-Nähe stellen.

Universitätsstädte: Heidelberg, Tübingen oder Göttingen kombinieren kulturelles Angebot mit moderaten Preisen.

Infrastruktur wird zum Erfolgsfaktor

Digitale Infrastruktur: Glasfaser wird wichtiger als U-Bahn-Anschluss. Gemeinden ohne schnelles Internet haben schlechte Chancen.

Flexible Verkehrsanbindung: Nicht tägliches Pendeln, aber gelegentliche Fahrten in die Stadt müssen möglich bleiben. ICE-Anschluss wird wichtiger als S-Bahn.

Lebensqualität-Infrastruktur: Restaurants, Cafés, Fitness-Studios und kulturelle Angebote gewinnen an Bedeutung. Das Umland muss mehr bieten als nur günstigen Wohnraum.

Bildungsinfrastruktur: Für Familien werden Schulen und Kindergärten noch wichtiger, da die Wohnort-Wahl flexibler wird.

Neue Wohnbedürfnisse: Mehr Platz, mehr Funktionen

Home Office-Räume: Separate Arbeitsräume oder abtrennbare Bereiche werden unverzichtbar. Altbauten mit Zimmer-Grundrissen profitieren.

Outdoor-Bereiche: Balkone, Terrassen oder Gärten gewinnen massiv an Wert. Erdgeschoss-Wohnungen mit Garten sind besonders gefragt.

Zusätzliche Zimmer: Statt 2-Zimmer-Apartment wird 3-Zimmer-Wohnung nachgefragt. Familien brauchen noch mehr Platz.

Ruhige Bereiche: Schallisolierung und ruhige Lagen werden wichtiger. Straßenseitige Wohnungen verlieren Attraktivität.

Auswirkungen auf Gewerbeimmobilien

Büroflächennachfrage sinkt: Unternehmen reduzieren Büroflächen um 20-40%. Besonders betroffen: Standardbüros in B-Lagen.

Flexible Arbeitsplätze boomen: Co-Working-Spaces und Business Center profitieren. Auch im Umland entstehen neue Konzepte.

Umnutzung wird notwendig: Leerstehende Büros werden zu Wohnungen, Hotels oder Mixed-Use-Projekten umgewandelt.

Lagerflächen gewinnt: Online-Handel boomt durch Homeoffice. Logistik-Immobilien sind Gewinner der Entwicklung.

Regional-spezifische Entwicklungen

München: Extreme Preise treiben Exodus ins Umland. Rosenheim, Augsburg und Ingolstadt profitieren überproportional.

Frankfurt: Banker bleiben stadt-nah, aber IT-ler ziehen ins Umland. Unterschiedliche Branchen-Dynamiken.

Berlin: Kreative ziehen in Außenbezirke oder Brandenburg. Tech-Arbeiter bleiben eher in der Stadt.

Hamburg: Nordsee-Nähe wird Alleinstellungsmerkmal. Schleswig-Holstein profitiert vom Hamburg-Exodus.

Investmentstrategien für die neue Normalität

Umland-First-Ansatz: Gezieltes Investment in wachsende Umlandgemeinden mit guter Infrastruktur.

Quality-over-Location: Fokus auf Wohnqualität statt reine Lage. Größere Wohnungen mit Extras werden bevorzugt.

Mixed-Use-Entwicklungen: Projekte, die Wohnen, Arbeiten und Leben kombinieren, haben Zukunft.

Conversion-Opportunitäten: Umnutzung von Büros zu Wohnungen kann attraktive Renditen generieren.

Due Diligence für Umland-Investments

Digitale Infrastruktur prüfen: Glasfaser-Ausbaustand und -planung sind kritisch.

Pendel-Optionen analysieren: Auch bei weniger häufigem Pendeln muss Anbindung vorhanden sein.

Demografie verstehen: Wächst die Gemeinde oder schrumpft sie? Altersstruktur und Wanderungsmuster prüfen.

Planungsrecht beachten: Umland-Gemeinden können Zuzug durch Baurecht begrenzen.

Finanzierungsbesonderheiten

Bewertungsherausforderungen: Umland-Immobilien haben weniger Vergleichswerte. Bewertung wird schwieriger.

Banken-Präferenzen: Manche Banken finanzieren ungern abgelegene Objekte. Lokale Institute bevorzugen.

Wertentwicklung: Höhere Volatilität als in etablierten Stadtlagen. Booms und Korrekturen sind ausgeprägter.

Technologie als Enabler

Virtuelle Besichtigungen: Für Umland-Objekte besonders wichtig, da Anfahrten länger sind.

Smart Home: Wird im Homeoffice wichtiger. Intelligente Heizung, Licht und Sicherheit haben Mehrwert.

Marktanalyse-Tools: Platforms wie SmartLandlord.de helfen bei der Bewertung von Umland-Opportunitäten und der Einschätzung von Remote-Work-Trends.

Langfristige Perspektiven

Hybrid bleibt Standard: Vollständiges Remote Work oder komplette Büro-Rückkehr sind Extreme. Hybrid-Modelle setzen sich durch.

Neue Zentren entstehen: Umland-Hotspots entwickeln eigene Dynamik und werden zu eigenständigen Zentren.

Infrastruktur-Catch-up: Erfolgreiche Umland-Gemeinden investieren in Infrastruktur und Attraktivität.

Generationenwechsel: Jüngere Generationen sind flexibler bei Wohnort-Entscheidungen.

Risiken nicht unterschätzen

Trend-Umkehr: Rückkehr zu strikten Büro-Präsenz-Pflichten könnte Umland-Boom stoppen.

Infrastruktur-Überlastung: Erfolgreiche Umland-Gemeinden können an Kapazitätsgrenzen stoßen.

Spekulative Übertreibung: Manche Umland-Märkte könnten überbewertet werden.

Fazit: Die neue Geografie des Wohnens

Remote Work verändert die Immobilienmärkte fundamental und nachhaltig. Investoren müssen ihre Strategien anpassen und neue Kriterien für Standortbewertungen entwickeln. Das Umland bietet Chancen, aber auch Risiken.

Erfolgreiche Investoren verstehen die neuen Nachfragemuster und positionieren sich entsprechend. Wer früh die richtigen Umland-Hotspots identifiziert, kann von dieser historischen Verschiebung profitieren.

Die Zukunft gehört flexiblen Wohn- und Arbeitsmodellen. Immobilieninvestoren, die diese Trends verstehen und nutzen, werden die Gewinner der post-Corona-Ära sein.


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Maximilian Fischer
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